Gustave | Deutsches Creepypasta Wiki

Als mir meine Tochter Neyla mit drei Jahren das erste Mal erzählte, dass sie Angst vor Monstern habe, versicherte ich ihr, dass es sowas wie Monster nicht gebe. Ich erklärte ihr, dass Monster nur ein Produkt unserer Fantasie seien, die auf´s Schrecklichste jene Dinge repräsentieren, vor denen wir uns am meisten im echten Leben fürchten. Als sie mich fragte, wie ein Monster aussieht, konnte ich ihr keine Antwort darauf geben. Man möchte meinen ich wollte ihr nur kein Bild in den Kopf setzen, das sie bis ins Erwachsenenalter in ihren Alpträumen verfolgt, doch ich hatte wahrlich absolut keine Vorstellung davon, wie ich mir ein solches Monster vorzustellen hatte.

Jetzt weiß ich es – ich habe es gesehen. Monster existieren und sie lauern nicht unter unseren Betten oder in den Schränken. Sie warten auch nicht in der Dunkelheit auf uns wenn wir uns am meisten fürchten. Sie schlagen völlig unerwartet und gnadenlos zu. Ich habe dieses Monster gesehen; sein geiferndes Maul, welches mit dolchartigen Zähnen bespickt war, diese schwarzen, kalten Augen mit denen es mich anstarrte und diese grässliche Schuppenhaut, die mit Narben und einzelnen Blutresten verkrustet war. Sein Name ist Gustave und irgendwo da draußen, in der todbringenden Wildnis Afrikas, liegt er noch immer auf der Lauer…

Die Geschichte die ich Ihnen nun erzählen will, ereignete sich innerhalb weniger Minuten in der Nähe eines kleinen Dorfes in Burundi Afrika. Neyla war sieben Jahre alt als ich mit ihr und zwei ihrer Freundinnen hinunter zum See ging, um zu baden. Natürlich hatten wir auch Wasser in unserem Dorf, aber die Mädchen wollten einfach ab und zu ein wenig Spaß haben. Sie waren schließlich noch Kinder und auch wenn sie schon wie Erwachsene arbeiten mussten, so brauchten sie dennoch ein wenig Zeit, um ihre Jugend zu genießen.

Ich sehe sie noch genau vor mir, wie sie an jenem morgen vor mir stand. Lange schwarzen Zöpfe, ihre großen braunen Augen, ihre wunderschöne dunkle Haut, auf der das Wasser im hellen Schein der Morgensonne glitzerte und ihr breites, weißes Lächeln, das sie so gut wie immer auf den Lippen trug. Wir brauchten weniger als vier Minuten hinunter zum See und während ich auf einem morschen Holzstumpf saß und meine Beine im Wasser baumeln ließ, spielten Neyla und ihre Freundinnen keine zehn Meter von mir entfernt im Wasser. Keine zehn Meter!

Eigentlich wollte Neyla mit mir ans andere Seeufer gehen, wo kein Schilf wuchs und wo sich an Land mehrere kleine gelbe Steinchen zu einem winzigen Sandstrand formten. Ich habe ihr davon abgeraten, da das Wasser dort bis zu Neylas Hals hinauf reichte, während es ihr hier nur hüfthoch stand. Zudem kamen an der genannten Stelle immer die Gnu- und Antilopenherden zum Trinken und ich wollte es vermeiden, dass Neyla von diesen angegriffen wird. Auch war einer der Männer unseres Dorfes angeblich von einem Flusspferd an der besagten Stelle attackiert worden und eine Begegnung mit solch einem Koloss würde wohl jeder gerne vermeiden wollen.

Bis heute stelle ich mir täglich, beinahe stündlich, die Frage ob ich die großen Augen im Wasser bemerkt hätte wenn wir an der von Neyla gewünschten Stelle schwimmen gegangen wären. Vielleicht hätte ich dort etwas wahrgenommen, doch zwischen all dem Schilf erblickte ich nicht das schwarze, vom Wasser glänzende Augenpaar, das mich und die Mädchen beobachtete. Mein Blick schweifte durch die Umgebung, vorbei an den Mädchen, über das Wasser, bis hin zu jenen Pflanzen, die aus dem Wasser ragten, als ich dieses grauenhafte Geräusch hörte. Es klang wie ein tiefes und bedrohliches Fauchen. Dies war der Moment, in dem ich den gewaltigen Kiefer erblickte, der sich angriffslustig zwischen dem Schilf zu öffnen begann, um mir einen Blick auf die langen, spitzen Zähne zu gewähren, die wie weiße, blanke Messer aus dem nun weit geöffneten Maul hervor traten.

,,Neyla!“

Dieser Schrei. Es war einer von drei Schreien, die sich seit jenem Tag in mein Gedächtnis gebrannt hatten. Ich war nicht einmal sicher ob ich ihren Namen gerufen hatte. Was ich jedoch mit Sicherheit gehört habe war der Schrei, der wenige Sekunden später in meinen Ohren klang, so angsterfüllt und schrecklich, dass er mich seither nie wieder friedlich schlafen ließ – der Schrei meiner Tochter.

,,Papa!“, hatte sie geschrien.

Sie schrie es mehrere Male, während die anderen beiden Mädchen nur panische Schreie von sich gaben. Dann geschah alles ganz schnell. Mit einem lauten und tiefen Fauchen, das noch weitaus grauenvoller klang als das zuvor, brach der massige Körper der Bestie durch die dünnen Schilfhalme hindurch und stürmte auf die Mädchen zu, wobei er riesige Wassermassen aufwirbelte. Ohne groß nachzudenken sprang ich in das kühle Nass hinein und versuchte so schnell wie ich konnte zu Neyla vorzudringen. Die anderen Mädchen erreichten mich zu erst, doch während eine von ihnen an mir vorbei hechtete, um das sichere Ufer zu erreichen, sprang die andere in ihrer Angst in meine Arme und riss mich dabei zu Boden.

Kurz bevor die Kleine meine Sicht auf Neyla versperrte, sah ich sie keine zwei Meter vor mir im Wasser stehen. Ihre großen Augen sahen mich nicht an. Sie waren mit Tränen gefüllt, welche an ihren zarten braunen Wangen entlang liefen und in die wellenschlagenden Fluten hinab fielen, während sich hinter ihr die Konturen jenes gigantischen Kiefers deutlich machten, den ich erst vor wenigen Sekunden im Schilf erblickt hatte. Weit geöffnet, gierend nach Fleisch und besetzt mit diesen grässlichen Zähnen schnellte er auf sie zu, bevor ich meine Sicht auf sie verlor.

Während ich fiel schossen hunderte von Gedanken durch meinen Kopf. Würde sie sicher zum Ufer gelangen? Würde das Monstrum sie verfehlen und an ihr vorbei laufen? …Würde es sie töten? Binnen weniger Sekunden schnellten diese und weitere Fragen durch meinen Kopf und binnen weniger Sekunden, machte ein einziger Laut alle diese Fragen überflüssig. Innerhalb eines kurzen Moments, hatte ich meine Antwort. Ein markerschütternder Schrei… – Neylas Schrei! Noch während mein Körper durch die Wasseroberfläche des sonst so friedlichen Sees drang, wusste ich es – es hatte sie!

Das Mädchen umklammerte mich weiter, ließ nicht von mir ab. Ihre Muskeln mussten sich vor lauter Furcht verkrampft haben, was es mir erschwerte mich wieder aufzurichten. Beinahe schon panisch, völlig wahnsinnig vor Angst um meine kleine Tochter, die soeben vollkommen hilflos keine zwei Meter von mir entfernt durchs Wasser irrte, schlug und trat ich um mich, in der Hoffnung irgendwo Halt im Schilf oder auf dem Grund des Sees zu finden, was mir schließlich auch gelang. Ich konnte das Zittern des Mädchens in meinem Arm und das meines eigenen Körpers nicht mehr auseinander halten, als ich mir das Wasser aus den Augen rieb. Vorsichtig setzte ich die Kleine ab und deutete ihr wegzulaufen. Für eine Sekunde lang sah sie mich nur verzweifelt an, doch dann war es so als würde eine Welle aus Adrenalin ihren Körper durchfluten und innerhalb weniger Sekunden rannte sie davon. Ich sah ihr nicht hinterher, da ich inzwischen mit Entsetzen jenes Schauspiel betrachtete, dass sich vor meinen Augen zutrug.

Neylas Körper bewegte sich nicht. Ihre linke Hand baumelte leblos über der Wasseroberfläche, während ihre rechte Hand keine drei Meter entfernt zwischen den mit Blut bespritzten Schilfhalmen schwamm. Ihre Beine, oder was von ihnen übrig war, hingen bis zu den Knien im Wasser, das seine Farbe inzwischen von einen grünlich schimmernden Blau zu einem dunklen Rot gewechselt hatte. Ihr Rumpf wurde beinahe gänzlich von dem riesigen Maul des Ungeheuers verschlungen und die dolchartigen Zähne hatten gnadenlos die zarte Haut ihres Bauches, sowie ihres Brustkorbes durchbohrt und der Speichel des Ungeheuers, der sich mit dem roten Blut meines kleinen Mädchens vereint hatte, triefte an seinem geschlossenen Maul herab. Die braunen, jedoch gänzlich leblosen Augen meiner Tochter starrten mich an.

Das Antlitz der Sonne, die nun hoch am Himmel stand, warf sein Licht auf eine einzelne glitzernde Träne, die von Neylas Auge bis zu ihrer Nasenspitze hinab lief und kaum hörbar in das nun beinahe vollkommen ruhige Gewässer tropfte in dem ich und das monströse Krokodil uns nun Auge in Auge gegenüber standen. Seine Augen waren pechschwarz, geradezu dämonisch; so als wäre diese Bestie geradewegs aus den tiefsten Tiefen der Hölle empor gestiegen. Und sie waren tot – so tot wie die Augen meiner siebenjährigen Tochter, deren zerfleischter Körper aus dem gewaltigen Kiefer hervor ragte. Doch da war noch etwas anderes in den Augen dieses Tieres. Etwas, das in mir Zweifel darüber aufkommen ließ ob es sich hier wirklich um ein Tier oder nicht doch um die Inkarnation des puren Bösen handelte… Mordlust!

Mein Großvater berichtete mir, dass nur die Menschen zum Vergnügen morden. Tiere würden lediglich nach ihren Instinkten handeln und das tun, was die Natur von ihnen verlangt; nämlich fressen oder gefressen werden. Doch dieses Reptil tötete nicht, um zu überleben. Ich habe es in seinen Augen gesehen… Dieses Krokodil tötete aus reinem Vergnügen. Ich weiß, dass man einem solchen Tier keine menschlichen Gestiken zutrauen konnte, doch es wirkte auf mich fast so als würde es mich anlächeln – ein durch und durch diabolisches Lächeln, dessen Bild sich bis heute in meinem Kopf festgesetzt hat.

Ungefähr drei Minuten starrten ich und die Bestie uns an. Keiner von uns gab auch nur einen einzigen Laut von sich. In der Ferne vernahm ich noch wage die Schreie der kleinen Mädchen, doch hier am See herrschte absolute Stille; lediglich die schweren Atemgeräusche der Kreatur drangen an meine Ohren und sorgten dafür, dass sich sämtliche Haare auf meiner Haut vor Angst aufrichteten. Das Wasser hatte sich beinahe vollständig beruhigt; nur der gewaltige Körper der gepanzerten Riesenechse, schlug ab und zu kleine Wellen in den nun fast gänzlich rot getränkten Fluten. Plötzlich erinnerte ich mich an Neylas Frage an mich als sie drei Jahre alt war. Ich wusste nun die Antwort; auch wenn ich nie wirklich darüber nachgedacht habe, so war ich mir dennoch sicher, dass ich mich immer gefragt habe, wie ein echtes Monster wohl aussieht.

Nun stand es vor mir; die leblosen Überreste meiner Tochter zwischen seinen von Blut triefenden Zähnen zermalmt. Ich hatte Neyla damals gesagt, dass Monster in unserer Fanatsie existieren und aufs Schrecklichste das wiederspiegeln, was wir am meisten fürchten. Alles was ich seitdem vor mir sah, war jedoch keine Vorstellung,sondern eben diese Szene; dieses Untier mit dem Leichnam meines kleinen Mädchens im Maul und keine Fantasie hätte schrecklicher sein können als das, was sich an jenem Morgen vor meinen Augen zugetragen hatte. Nichts hätte diesen Anblick, den ich vor lauter Schock ganze drei Minuten ertragen musste, bevor die Männer meines Dorfes mit ihren Gewehren heran stürmten, um das Monstrum zu vertreiben, noch grauenvoller gestalten können.

31 Jahre sind seit diesem schicksalhaften Tag vergangen und ich kann mich noch immer an jedes einzelne Detail erinnern. Diese ganze Geschichte ereignete sich im Jahre 1986 und die von mir beschriebene Bestie wurde einige Jahre später als Gustave weltweit in den Medien bekannt. Jahrelang zog er als ‚Menschenfresser‘ eine blutige Schneise durch Burundi – wurde nie gefangen, nie getötet. Nun ist er seit einiger Zeit verschwunden und bisher wurden keine weiteren Opfer gezählt. Angeblich hielt sein dicker Panzer sogar den Kugeln der Jäger stand, doch Beweise gab es dafür nicht. Wenn man jedoch wie ich Blickkontakt zu dieser Kreatur gehabt hat, ist man dazu bereit alles zu glauben.

Gustave war sicherlich kein gewöhnliches Krokodil, obgleich es bereits andere dokumentierte Fälle von Menschen gab, die von solch riesigen Reptilien verschlungen worden sind. Doch er war anders als die anderen. Neylas Körper wurde wenige Tage später in einem Fluss in der Nähe eines benachbarten Dorfes entdeckt und obwohl er völlig verstümmelt und so sehr zerfetzt wurde, dass er kaum einmal mehr als menschlicher Leib identifizierbar war, so sagten die Männer, die sie fanden dennoch, dass Gustave nicht einen Bissen von ihr verspeist hatte.

Gustave war nicht auf der Suche nach Fressen und Neyla war auch nicht seine Beute. Meine Tochter wurde das erste Opfer einer durch und durch gnadenlosen Mordmaschine, die bis zum heutigen Tage nie gefunden wurde und vermutlich noch immer sein Unwesen irgendwo in den Gewässern von Burundi treibt…

[Bei Gustave handelt es sich um ein, laut Schätzungen zufolge, 7.5 Meter langes und fast eine Tonne schweres Nilkrokodil, was selbst für seine mächtige Spezies enorm groß ist. Seine Laufbahn als Menschenfresser begann ungefähr im Jahre 1987 und innerhalb einiger Jahre verspeiste Gustave laut Einwohnern bis zu 300 Menschen, was sogar einige Leute noch als untertrieben (!) betrachten. Sein Hunger auf Menschenfleisch wurde damit zu erklären versucht, dass während des blutigen Bürgerkrieges in der Demokratischen Republik Kongo, die Leichen von Kriegsopfern einfach in die dortigen Flüsse geworfen wurden wo sie den Speiseplan der dort beheimateten Krokodile ergänzten.

Was Gustave neben seiner erschreckend hohen Opferzahl jedoch umso furchteinflößender machte, war die Tatsache, dass er manche seiner Opfer nicht fraß, sie also sprichwörtlich zum Vergnügen tötete. Alle Versuche diese gewaltige Kreatur zu erlegen oder einzufangen sind bis heute kläglich gescheitert und angeblich hielt Gustaves Panzer sogar den Kugeln einiger Jäger, Soldaten und Polizisten stand. Seit einigen Jahren nunmehr fielen Gustave jedoch keine weiteren Menschen mehr zum Opfer. Einige glauben, dass seine Tage als Serienkiller gezählt sind, doch vielleicht liegt das wohl angsteinflößendste Lebewesen, mit dem wir Menschen je Kontakt hatten, irgendwo in den Flüssen Burundis auf der Lauer und ist jede Sekunde dazu bereit ein weiteres Mal zuzuschlagen…]

Deine Bewertung dieser Pasta:

Durchschnittsbewertung:

Gustave


Nutzung gemäß CC-BY-SA Quell-Link

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert