Der Ozean ist wesentlich tiefer als wir dachten

Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

 

 “Man sagte mir Sie seien erfahren in rauen Gewässern.” sprach James und deutete auf die Schweißperlen, die sich auf meiner Stirn geformt hatten.

“Ja, bin ich.” antwortete ich, kurz bevor ich die Überreste meines wenig appetitlichen Mittagessens über die Reling beförderte.

“Es ist nur so, dass Sie etwas grün um die Kiemen aussehen.” erzählte James weiter und ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus.

Wir hatten uns vor wenigen Stunden erst kennengelernt. Ich wurde zur USS Orion geflogen, einem Seelift, der Transportkapseln zum Meeresgrund, für ein von der United States Navy durchgeführtes Projekt, steuerte.

“Ich nehme an, sie haben ihnen nicht erzählt, dass ich unter Wasser wesentlich nützlicher bin. In U-Booten.” entgegnete ich. 

Betrachtete man die Umstände, riefen seine lässigen Bemerkungen nur eine unangenehme Atmosphäre zwischen den Arbeitern hervor. Sie alle wussten, was mein Eintreffen bedeutete aber genau wie ich wurden sie nur dürftig mit Informationen ausgestattet.

Alles was ich wusste war, dass es möglicherweise eine ansteckende Infektionskrankheit am Meeresgrund gab. Mein Job war es, diese Vermutung zu widerlegen oder die gesamte Besatzung der Station dort unten unter Quarantäne zu stellen.

Alsbald wir sicher am Kopfe des Tonga Grabens positioniert waren, wurden wir auch schon in die Transportkapsel gescheucht. Ein winziges, vertikal ausgerichtetes U-Boot, dessen einziger Zweck es war uns sicher zur Basis am Grunde des Meeres zu befördern. Sechstausend Meter unter uns. Talos. 

Ich stieg aufgeregt in die Kapsel, wenngleich ich auch meine Rückkehr ins tiefe Blau etwas fürchtete.

Es war nun zehn Jahre her, seit ich als Sanitäter gedient hatte. Ich war einer der wenigen, der auch unter Wasser stationiert war. Über die Jahre war ich allerdings mit dem Ozean aus dem Einklang gefallen und sehnte mich deshalb wieder danach.

Wann immer Sie bereit sind, Doc.” sagte eines der Besatzungs-Mitglieder, welcher ungeduldig darauf wartete in die Tiefe abzutauchen.

Ich hielt meinen Daumen in die Höhe. “So bereit wie’s nur geht. Los geht’s.

3 Meter: Die Dämmerungszone…

Der Aufprall auf dem Wasser schüttelte die Kapsel leicht. Alsbald wir jedoch untergetaucht waren verschwand meine Übelkeit und ein Gefühl des tiefen Friedens überkam mich.

Ich war zurück.

Aus dem Fenster sah ich ein paar neugierige Fische, die uns bei unserer Reise in die Tiefe begleiteten. Das Frachtschiff hatte vielfältige Meeresbewohner angelockt. 

James war Steuermann des Mini U-Boots. Er hatte diese Reise schon gut ein tausend mal gemacht und für ihn war es nichts neues. Ich hingegen war noch nie tiefer als 600 Meter gereist und hinzu kam, dass ich bisher nie ein Fenster gehabt habe, durch das ich die überwiegend unerforschten Weiten der blauen Welt bestaunen konnte. 

1000 Meter: Die Mitternachtszone…

Wir sanken tiefer und tiefer in den Abgrund und die letzten Sonnenstrahlen verschwanden. Das Reich des Sonnenscheins und der Menschheit machte einem Reich der absoluten Dunkelheit platz.

Dein erstes Mal im Abgrund, richtig?” fragte James nach langer Schweigsamkeit.

Ja, ich habe ein paar Jahre in einem U-Boot gedient aber die tauchen nie so tief… das hier ist etwas ganz anderes.

Er lächelte mich an. “Nun, dann mach dich auf was gefasst, wir gehen nämlich den ganzen Weg nach unten. Talos sitzt direkt an der Kante des Abgrunds. Das ist mit nichts vergleichbar.

Jegliche Meereslebewesen, die einst an unserer Kapsel interessiert waren hatten sich schon lange in hellere Gebiete zurückgezogen. Der rapide ansteigende Tiefendruck hatte sich gegenüber den meisten Kreaturen als feindlich erwiesen, jedoch gab es hier unten tatsächlich ein paar wenige hartnäckige Genossen, die einen Weg gefunden hatten in diesen einst leer geglaubten Tiefen zu überleben. Die Wunder des Ozeans.

Innerhalb einer Stunde hatten wir eine Tiefe von dreitausend Metern erreicht. Hinter der vierzig Zentimeter dicken Glasscheibe, die uns vom sicheren Tod trennte, lag nichts als ewige Dunkelheit. Hätten wir es nicht besser gewusst, hätten wir glauben können das einzig existierende in diesem Nichts zu sein. Wir und die gelegentlichen Geräuschen des U-Bootes, das sich an den Druck anpasste.

Um mich selbst von den beunruhigenden Knarrgeräuschen abzulenken fragte ich James das einzige, was mir in diesem Moment durch den Kopf schwirrte. 

Warum erzählst du mir nicht mehr darüber, was da unten passiert ist?

James hatte bisher gelassen gewirkt, doch meine Frage brachte einen Runzeln auf seine Stirn. “Sie haben dich an der Oberfläche eingewiesen, richtig?

Natürlich, aber…

Dann wird das reichen müssen.” sagte er streng.

4000 Meter: Die Abgrundzone…

Die Welt um mich herum hypnotisierte mich. In ein so tiefes Nichts zu starren, wissend, dass dort eine ganze Welt nur wenige Meter von dir entfernt liegen könnte, war bizarr. Ich hatte bis zu diesem Tag noch nie wahre Dunkelheit erlebt und zu denken, dass ein großer Teil des Lebens auf der Erde hier seit Millionen von Jahren hauste, ließ ein unwohles Gefühl in mir aufsteigen.

Als ich an Bord der USS Catacea diente hatte mir unser Kapitän erklärt, warum wir keine Fenster in die U-Boote bauten. Er erzählte von irre gewordenen Kameraden, nach Jahren auf hoher See. Die Isolation und die Distanz zum Festland hätte keinen von ihnen gestört. Er glaubte fest daran, dass das, was sie letzten Endes in den Wahnsinn trieb etwas anderes war. Ihm zufolge war der Auslöser in den Ozean zu starren und sich zu fragen, welche Geheimnisse dort liegen würden. Um das zu umgehen, bauten sie keine Fenster in ihre Schiffe. Natürlich hatte er sich diese Geschichte nur zur Unterhaltung ausgedacht aber nun, da ich sehen konnte, was wirklich hinter der Scheibe lag, fragte ich mich, ob er nicht doch irgendwie die Wahrheit erzählt hatte.

Meine düsteren Gedanken wurden von einem trüben Licht in der Ferne weggeschwemmt. Ein roter, fröhlich auf und ab tanzender Punkt kam auf unser kleines U-Boot zu. Es war eine Qualle.

Na sieh mal einer an.” sagte James während er auf die kleine Kreatur zeigte. So zerbrechlich und doch in der Lage dem Tiefendruck standzuhalten.

Ein weiteres Licht kam auf, dann noch ein paar mehr und schon kurz darauf hieß uns eine ganze Symphonie von pulsierenden purpurnen Lichten in den Tiefen willkommen. Sie formten ihre eigene Galaxy tausende Meter unter der Meeresoberfläche.

Es war das wundervollste, was ich jemals gesehen hatte. Ein Schwarm Quallen, der fröhlich vor sich her existierte, in einer Umgebung, die so lebensfeindlich war. Ich war schwer beeindruckt.

Die heißen Atolla Quallen.” erzählte James. “Normalerweise schwimmen sie nicht so weit runter aber irgendetwas an diesem Ort scheint sie magisch anzuziehen. Für gewöhnlich sehe ich ein paar wenige auf meinem Weg nach unten aber so viele habe ich noch nie gesehen.

Ich nickte bloß, zu fasziniert um wirklich wahrzunehmen, was er mir sagte aber so schnell die Quallen aufgetaucht waren verschwanden sie auch wieder und ließen uns in absoluter Dunkelheit zurück.

Hör mal Doc. Das von vorhin tut mir leid.” sagte James.

Ich drehte mich ihm zu, drehte meinen Rücken zum ersten Mal der Dunkelheit entgegen. Ich fühlte mich verletzlich.

Du musst verstehen, das ist nichts gewöhnliches womit wir es hier zu tun haben. Und Mike, nun ich kenne ihn schon fast mein ganzes Leben.

Ich weiß wie beschissen das ist, glaub mir. Ich versuche nur so viele Informationen wie möglich zu sammeln. Für unser Allgemeinwohl.” sagte ich.

Nun schon, aber es gibt wirklich nichts, was ich dir erzählen könnte. Die Luftschleuse ist nun seit zwei Tagen gesperrt und wir haben strikte Anweisungen erhalten sie nicht zu öffnen, bis du dein OK gibst.

Ich fragte nicht weiter nach. Ich hatte seit ich die Navy verlassen hatte mit ansteckenden Krankheiten zu tun und in neunzig Prozent aller Fälle reagierten die Leute einfach über.

6000 Meter: Das Ozeanbecken…

Zum ersten mal, seit wir das Schiff verlassen hatten gab das Radio ein Lebenszeichen von sich und emittierte ein statisches Rauschen, welches langsam in eine männliche Stimme über ging.

James, kannst du mich hören?” fragte die Stimme.

Laut und deutlich, Captain. Ich habe unseren Mann vom Seuchenschutz bei mir. Wir sind kurz davor anzulegen.” 

Sehr gut, die Besatzung wird langsam ungeduldig, wir-” das Radiosignal fing an abzubrechen.

Ah, verdammt, das Ra— legt an Sektor A— nicht—” dann war es komplett weg.

Willkommen in der Abgrundzone.” sagte James. “Das Radio spinnt in letzter Zeit etwas. Stell dir vor, sie bauen uns eine topmoderne Station aber geben uns Kommunikationsmittel aus dem letzten Jahrhundert.

Durch das Fenster konnten wir einen massiven Dom sehen, der von hunderten Lichter beleuchtet wurde. Drei Pfade erstreckten sich von seiner Mitte, jeder in einer anderen Farbe. Sektor A, B und C. Aber noch etwas anderes wurde vom Licht der Station erhellt. Zuerst waren es nur obskure Figuren im Sand, doch als wir näher kamen realisierte ich, dass es Fische waren. Hunderte, wenn nicht tausende von verendeten Kreaturen, die den Meeresgrund bedeckten. Ihre Körper waren von dem immensen Druck verformt worden.

Jesus, was zur Hölle ist denn mit den Fischen passiert?” fragte ich erschrocken.

Das gleiche wie mit den Atolla. Etwas hier unten zieht sie an. Sie schwimmen, bis ihre Körper dem Druck nicht mehr standhalten und sinken dann zu Boden.”

“Was könnte das sein?”


“Es gibt da ein paar Theorien aber was wir vermuten ist, dass ein Geräusch daran Schuld hat, welches wir gelegentlich hier unten wahrnehmen können. Aus dem Graben.”

Das Anlegen dauerte eine ganze Weile. Die Außenfassade hatte sich durch den hohen Druck etwas verformt. Gerade so viel, dass es schwierig wurde in die Station passen.

Nachdem die Türen sich endlich öffneten stolperte ich aus der Kapsel und wurde von drei Besatzungsmitgliedern empfangen.

“Sie sind der Arzt, richtig?” fragte der älteste unter ihnen.


“Das ist korrekt.” sagte ich als er seine Hand ausstreckte, um mich zu begrüßen.

“Mein Name ist Robert Lewis, ist bin der Kapitän der Talos zugewiesen wurde.” sagte er und schüttelte meine Hand. “Danke, dass Sie sich die Mühe gemacht haben hierher zu kommen. Die Reise ist ja nicht gerade angenehm.”

Er wirkte freundlich, wenngleich er auch deutlich unter Schlafentzug litt. Er hatte blutunterlaufene Augen und fettige Haare.

“Das hier ist Jennifer Burke, eine unsere Biologinnen und das da drüben Henry Gale, unser Techniker.” sagte er.

Sie beide gaben mir die Hand aber vermieden jeglichen Augenkontakt.

“Hey, Cap, wo ist Abby?” fragte James.

“Immer noch in Sektor B. Ihr geht’s gerade nicht sonderlich gut, wie du sicherlich nachvollziehen kannst.” antwortete er.

James nickte.

“Lasst uns reden.” sprach Robert und machte eine Geste ihm zu folgen.

Die Gänge waren spärlich mit flackernden Lichtern beleuchtet und ein konstantes Knacken ging von den Wänden aus. Die Station war im Gegensatz zu dem, wie sie von außen gewirkt hatte, unproportional klein und als ein großgewachsener Mensch musste ich mich etwas ducken, um mir meinen Kopf nicht an der Decke anzuhauen.

“Entschuldigen Sie die bedrückte Stimmung.” sagte Robert. “Es ist das erste mal, dass wir mit etwas derartigem zu tun haben. Ich nehme an, man hat sie an der Oberfläche bereits eingewiesen?” fragte er.

“Wurde ich aber ich gebe zu, dass mir die Einzelheiten etwas unschlüssig sind.”


“So geht es uns auch. Mike hat sich selbst eingeschlossen, nachdem er zur Station zurückgekehrt ist und wir haben bis jetzt noch kein Zeichen erhalten die Schleuse zu öffnen.”

“Hm, hat Mike irgendwelche guten Gründe dafür genannt?” fragte ich.

“Dazu hat er nie die Chance bekommen. Er ist tot umgefallen, als er den Knopf gedrückt hat.”

Robert führte uns ins Zentrum des Doms. Im Gegensatz zu den Fluren war das hier eine positive Überraschung. Ein großer Wohnraum mit Möbeln und persönlichen Gegenständen bestückt. Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich vermutet noch an der Oberfläche zu sein.

“Mike hat unten im Graben ein paar Mikroorganismen entdeckt. Eine neue Art von Parasit, sagte er. Er behauptete sie wären in der Lage jeglichen Druck zu widerstehen, was hier unten keine Besonderheit ist. Jedoch erklärte er uns, dass sie rasche Veränderungen in ihrer Umgebung ohne Probleme überstehen würden.” sagte Robert während wir in ein Büro liefen.

“Glaubte er sie seinen ansteckend?” fragte ich.

“Nun ja, er war unser Mikrobiologe also kann ich nicht wirklich eine andere Schlussfolgerung liefern. Wir haben jedenfalls alle Proben zerstört. Jedoch wissen wir immer noch nicht, warum er sich selbst eingeschlossen hat.”

Robert seufzte.

“Aber das ist noch nicht das merkwürdigste:”

Ich wartete geduldig darauf, dass er weitersprach, während er versuchte Worte zu formen, die er selbst nicht wirklich glauben wollte.

“Wir haben ihn dort unten für drei volle Tage verloren. Das Tracking-System ist ausgefallen und die Kommunikationsmittel wurden unbrauchbar. Selbst wenn wir ihn gefunden hätten, er hatte bloß genug Sauerstoff für zehn Stunden, darum nahmen wir an, dass er leider verstorben sei. Dann, wie aus dem nichts, tauchte sein Tracker wieder in unseren Systemen auf und zeigte, wie er sich den Aufzug im Tonga-Graben hinauf bewegte. Obwohl er nicht auf unsere Versuche mit ihm zu kommunizieren einging, war er eindeutig am Leben.”

“Wie?”

“Es ist unmöglich aber es ist passiert. Nachdem wir ihn auf die Station ließen schloss er sie einfach ab und fiel tot zu Boden.”

Bevor Robert weitersprechen konnte lief der Techniker ins Büro.

“Wenn Sie ihn untersuchen, geben Sie acht darauf seinen EDM Anzug nicht zu beschädigen, es ist sehr–”

“Jetzt ist wohl kaum der richtige Zeitpunkt dafür, Henry.” unterbrach Robert bestimmend und sah ihn erbost an.

“Ich sage ja nur. Das hier ist ein Milliarden-Dollar Projekt.”

“Warum holst du nicht die Ausrüstung für unseren Arzt hier?” sagte Robert in einem befehlenden Ton. Er wurde von Minute zu Minute erregter.

“Bitte Captain, wenn du mich bloß in die Schleuse gehen lassen würdest, könnte ich alle notwendigen Vorbereitungen treffen.”

“Auf keinen Fall. Denkst du das Hauptquartier würde den verdammten Seuchenschutz schicken, wenn wir das selbst unter Kontrolle bekommen könnten? Um Himmels Willen, Henry. Du musst dir deine Grenzen bewusst machen.”

Der Techniker ging und kam kurz darauf mit einem modifizierten Schutzanzug und ein paar chirurgischen Werkzeugen wieder. Wir ging weiter zu Sektor B.

Im Gegensatz zu den Fluren, die wir zuvor entlanggelaufen waren, boten diese hier genug Platz und waren gut beleuchtet. Als wir an der Luftschleuse ankamen fanden wir Abby vor der Glastür stehen und sehnsüchtig auf Mikes leblosen Körper starren.

“Abby.” sagte Robert.

“Ich weiß, schon klar. Es ist Zeit.” antwortete sie und drehte sich um. “Oh und Sie sind der Arzt?” fragte sie mit zittriger Stimme und roten Augen.

Ich nickte.

“Sie finden heraus, was ihm das angetan hat, das werden sie doch? Ich verstehe es einfach nicht.”

“Abby, warum kommst du nicht mit mir, während sie arbeiten?” sagte Robert. “Du brauchst das nicht zu sehen.”

Während Robert sie zurück zum Zentrum führte fing Henry an die medizinischen Vorräte und den Schutzanzug zu entpacken.

“In Ordnung, ich werde Sie leiten. Es gibt keinen Grund einen EDM-Anzug in tadellosem Zustand zu ruinieren.” sagte Henry.

“Was heißt EDM eigentlich?” frage ich.

“Exoskeletaler Druckmodulator.” sagte Henry, als wäre es das Selbstverständlichste auf der ganzen Welt.

James und Jennifer halfen mir in den Schutzanzug während Henry die Schutzvorhänge aufzog.

 

Ich ging hinein und Jennifer tippte hinter mir einen Code ein, der die Luftschleuse öffnete. Meine Ohren knackten, während sich die Türen hinter mir schlossen. Sowohl die Vorhänge als auch die Schleuse selbst waren transparent, also konnten sie jeden meiner Schritte beobachten. Zusätzlich hatte ich jedoch auch noch eine Kamera für Nahaufnahmen auf meiner Schulter montiert, deren Bild draußen auf einem Monitor angezeigt wurde.

Mike lag direkt neben der Konsole und trug einen massiven, schwarzen Anzug, die mehr wie ein Maschinenteil als wie eine Tauchausrüstung aussah.

Es hingen einige Kabel und Haken von der Decke aber ihn bloß umzudrehen war schon ein schwieriger Akt, da er mit dem Anzug eine gute halbe Tonne wog.

Sein Gesicht war schneeweiß und mit dünnen Streifen Blut überzogen, das aus allen Körperöffnungen gelaufen war. In seinen Augen war aufgrund einer Bindehautblutung kein bisschen weiß mehr zu sehen.

“Ich bin so weit.” sagte ich.

“Gut, als erstes müssen Sie den Anzug untersuchen. Schauen Sie ob es irgendwelche Risse in der Oberfläche gibt. Es sollte eigentlich nicht möglich sein aber für den außergewöhnlichen Fall, dass es geschehen ist, dürfte sich ein selbstheilendes Gewebe gebildet haben. Es dürfte etwas gräulich aussehen.”

Ich sah mir jeden Zentimeter von Kopf bis Fuß genauestens an.

“Da, an seinen Füßen!” rief Henry plötzlich.

Und tatsächlich, ein grauer Flicken stach aus dem schwarzen Metall hervor, das den Rest von ihm bedeckte.

“Etwas hat seinen Anzug perforiert.” sagte Henry überrascht.

Ich ging etwas näher ran, um ihnen einen besseren Blick auf dem Monitor zu gewähren.

“Offensichtlich war es aber nicht das Loch was ihn getötet hat.” hängte er an.

Ich musste seiner Beurteilung zustimmen. Jeglicher Riss, der nicht innerhalb von Nanosekunden geschlossen wurde, hätte ihn auf der Stelle zerquetscht. Es schien jedoch als hätte das Gewebe augenblicklich ersetzt, was auch immer durch die Penetration zerstört wurde.

“Als nächstes verbinden Sie die Kabel an seine Schulter. Sie haben eine Farbcodierung, es sollte also nicht allzu schwer sein.”

Ich verband die Kabel wie angewiesen, was den Anzug dazu veranlasste aufzuleuchten und sich zu entriegeln. Die Vorderseite öffnete sich und entblößte Mikes verstümmelten Körper. 

“Was zur Hölle?” fragte James.

“Das ist aber keine Druckverletzung.” antwortete Henry.

Mikes Rippen waren nach außen gewölbt. Auch wenn sein Fleisch nicht in Stücke gerissen war, musste sein Brustkorb auf die doppelte Größe angeschwollen sein.

Als nächstes entfernte ich seinen Helm. Ich sah einen Moment lang in seine Augen und fragte mich, was seine inneren Organe dazu veranlasst haben könnte regelrecht zu explodieren. Für einen kurzen Moment sah es so aus als bewegte er seine Augen, um meinen Blick zu kreuzen.

“Habt ihr das gesehen?” fragte ich.

Niemand antwortete, sie alle starrten nur Mikes Körper an und warteten darauf, das etwas passierte. Seine Augen bewegten sich erneut, in scheinbar willkürliche Richtungen, als er plötzlich ein gurgelndes Geräusch von sich gab und sich sein Brustkorb zusammenzog.

“Oh Gott, lebt er etwa noch?” fragte Jennifer.

Er öffnete seinen Mund und tausende fette Würmer strömten heraus. Sie krochen sofort in alle möglichen Richtungen davon, die Wände hoch, an die Decke, auf der Suche nach einem Weg nach draußen. Mike spuckte währenddessen unerlässlich weitere schleimige Würmer aus.

Sein Mund riss weit auf und renkte seinen Kiefer aus, bevor er schließlich ganz abfiel. Als es schien als hätten alle Würmer seinen Körper verlassen, riss seine Brust auf und offenbarte noch wesentlich größere Würmer. Es wurde schnell deutlich, dass alle seine Organe gefressen und mit diesen scheußlichen Kreaturen ersetzt wurden.

Manche von ihnen klebten an meinem Anzug und panisch versuchte ich danach zu schlagen. Von den anderen wusste keiner was zu tun war, daher sahen sie mir bloß dabei zu, wie ich wild herumfuchtelte.

Wenn sich die einzelnen Würmer berührten verschmolz ihr Fleisch für einen kurzen Moment und formte einen noch längeren Wurm, bevor sie wieder auseinander streuten. Sie unwickelten meine Arme und Beine. Ich flehte die anderen an, etwas zu unternehmen, aber was konnten sie schon tun?

“Halte durch!” rief Henry während er am Kontrollpanel der Luftschleuse herumtippte.

In nur wenigen Sekunden fuhren einige Drüsen aus der Decke und sprühten, wie ich annahm, flüssigen Stickstoff in den Raum. Was auch immer es wirklich war, die Würmer gefroren auf der Stelle und ich konnte sie mit Leichtigkeit in Stücke brechen.

Es dauerte nur einen Moment bis alle Würmer abgestorben waren und auch wenn mein Anzug mich überwiegend vor der Kälte bewahrt hatte fiel ich erschöpft und zitternd zu Boden.

“Holt mich verdammt noch mal hier raus.” befahl ich, wusste jedoch ganz genau, dass das unmöglich war, bis ich mich um die Seuche gekümmert hatte.

Robert war gerade rechtzeitig zurückgekommen um zu sehen, wovon das Geschrei handelte. Er blieb wie angewurzelt stehen als er Mikes zerfetzten Körper erblickte.

“Entschuldigt aber der Anzug wird nicht gerettet, wir werfen den kompletten Inhalt der Luftschleuse aus, sobald ich hier raus bin.”

Henry drehte sich zu Robert um und flehte ihn an meine Entscheidung zu überdenken, obwohl er selbst miterlebt hatte was hier eben vor sich ging, jedoch nahm Robert meine Seite ein.

Nachdem ich die Aufnahmeeinheit Mikes EDM Anzug entfernt hatte, packte ich das Teil in einen leicht auswerfbaren Behälter und stellte sicher, dass sich keine weiteren Würmer an meinem Anzug befanden. Alles was ich einsammelte war eine kleine Probe eines gefrorenen Wurms, die ich in einen Vakuum-Behälter verpackte.

Ich verließ die Luftschleuse und überreichte Jennifer die Probe. Sie hatte schon die vorigen Parasiten, die Mike zurückgebracht hatte, untersucht und ich sagte ihr, sie solle alles bereit machen, damit ich mir ansehen könne, womit wir es hier zu tun hatten.

Robert startete den Auswurf des restlichen Inhalts der Schleuse, mitsamt den Überresten von Mike und seinem EDM Anzug. Henry meckerte die ganze Zeit über.

James hatte sich seit dem Vorfall nicht gerührt. Er war völlig weiß im Gesicht geworden, als hätte er gerade den Ernst der Situation verstanden.

“Wir müssen es ihm sagen, Captain.” sagte er ein paar Minuten darauf leise.

“Mir was sagen?” fragte ich, während ich aus meinem Anzug stieg.

Robert machte einen tiefen Atemzug und erwägte seine Optionen. “Du hast recht.”

“Mir was sagen?” wiederholte ich.

 “Den wahren Grund, warum wir hier unten stationiert sind.”

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Der Tod kann etwas wunderschönes sein. Man muss nur hinter das mit dem Ereignis verknüpfte Stigma schauen können. Der Tod ist der Anfang neuen Lebens, welches direkt aus dem Ende eines Anderen entsteht. Wenn ein Wal in extremer Tiefe stirbt sinkt er zum Meeresboden, wo ganze Ökosysteme aus seinem zersetzten Körper entstehen. Dieses Ereignis nennt man einen Walfall.

Mikes EDM Anzug hatte drei Tage an Aufnahmen aufgezeichnet. Henry wurde damit beauftragt sie zur Ansicht vorzubereiten. Da wir weder Mike, noch seinen Anzug retten konnten, mussten wir wenigstens herausfinden wie er gestorben ist.

Währenddessen wir warteten entschied der Kapitän, dass es nun an der Zeit für mich sei die Wahrheit über die Mission zu erfahren und warum niemand an der Oberfläche jemals von dem wissenschaftlichen Wunder mit dem Namen Talos gehört hatte.

“Hast du die toten Meerestiere gesehen, die sich um die Station angesammelt haben?” fragte Robert.

Ich erinnerte mich an hunderte verstümmelte Fischkadaver. Es ist nicht gerade der herzliche Empfang gewesen, den ich mir hier im Abgrund gewünscht hatte.

“James hat mir gesagt etwas hätte sie angezogen, eine Art Ton?”

Robert nickte und holte einen Computer hervor. Nach kurzer Suche öffnete er eine Tonaufnahme.

“Vor etwa fünf Jahren habe wir das aus den tiefen des Tonga-Grabens aufgenommen.”

Es war ein seltsam synthetischer Klang, wie der Paarungsruf eines Wals der um eine Oktave zu tief war und seltsam waberte. Und inmitten alldessen schwang etwas mit, das sich wie Geflüster anhörte.

“Sie haben etwas ähnliches im Marianengraben aufgezeichnet und es Biotwang genannt.” erklärte Robert.

Die Datei wiederholte sich während wir sprachen. Sie klang seltsam gespenstisch für etwas so Unschuldiges.

“Wir dachten zuerst es käme von einem Wal und wäre durch die enorme Distanz verzerrt worden, oder, dass unsere Instrumente eine Störung hätten. Doch dann sahen wir, wie es das Leben in der Region beeinflusste. Schwärme von Quallen tauchten wie aus dem Nichts auf und Fische schwammen entgegen aller natürlichen Instinkte in Gebiete, die einen viel zu hohen Druck für sie aufwiesen.”

“Woher kommt das Geräusch?” fragte ich.

Robert öffnete ein paar Bilder auf dem Monitor. Wesen ähnlich zu Spulwürmern, jedoch komplett schwarz waren darauf zu sehen. Sie sahen jedoch nicht wie jene Würmer aus, denen ich gerade in der Luftschleuse begegnet war.

“Unsere Vermutung ist, dass es unten im Graben ein bisher komplett unerforschtes Ökosystem gibt. Isoliert für Millionen von Jahre und unberührt von Episoden des Massenaussterbens. Es hat sich ganz anders entwickelt als das Leben, wie wir es von der Oberfläche kennen. Es ist als würden Millionen von Einzellern zusammenarbeiten und sich zu komplexeren Organismen zusammensetzen, aber im Gegensatz zu uns können sich ihre Zellen problemlos verbinden und zerteilen. Wir haben es ‘Das Syncytium’ getauft.”

“Und das ist was Mike getötet hat?”

“Es könnte ein Teil davon sein aber das, was wir in der Luftschleuse gesehen haben war um ein vielfaches Größer als die Mikroorganismen, die wir hier gesammelt haben.”

Wir wurden von James unterbrochen. Er ließ uns wissen, dass die Aufnahmen nun bereit zum Ansehen waren.

“Sollten sie sich jemals dazu entscheiden die Existenz dieser Station zu deklassifizieren, werden sie niemals diese Wesen erwähnen und erst recht nicht den Ton, der uns auf sie aufmerksam gemacht hat. Ich bin mir sicher, dass wir es eines Tages als außergewöhnlichen technologischen Fortschritt anpreisen werden aber um ehrlich zu sein ist der Grund, weshalb die Navy Milliarden über Milliarden in dieses Projekt steckt ein völlig anderer. Sie wollen den Ursprung dieser Geräusche herausfinden und einen Weg finden sie nutzbar zu machen.”

“Cap, Sie warten schon auf uns,” sagte James.

Wir sammelten uns im Zentrum. Abby saß weit hinter allen anderen. Sie war in einem noch schlechteren Zustand als zuvor und wirkte zerbrechlich, als hätte sie in den letzten paar Stunden Gewicht verloren. 

Henry steuerte die Aufnahmen, bereit uns durch die wichtigsten Szenen zu führen, da der Abstieg selbst sehr langsam verlief.

6096 Meter. Die Hadal-Zone…

Alles was wir sahen passierte aus Mikes Sicht. Die Aufnahmen starteten in der Luftschleuse. Abby stand mit besorgter Miene vor ihm.

“Keine Sorge, ich bin zurück bevor du Zeit hast mich zu vermissen. Ist ja nicht so, als wäre ich das erste mal dort unten. Vor allem ist es nicht so, als würden sie eine Milliarde Dollar verballern, um mich dann sterben zu lassen.”

Sie schien von seinen Worten nicht getröstet.

“Dieses mal ist es anders. Wir haben den Anzug noch nie über 9000 Meter getestet,” sagte Abby.

“Nein aber wir haben den Druck getestet. Der Anzug sollte noch wesentlich mehr aushalten, bevor er kaputt geht.” 

Henry spulte die Aufnahmen vor…

Mike stand nun direkt am Abhang des Tonga Grabens. Zu seiner Linken reichte eine Plattform mit einem Aufzug in der Mitte noch tiefer die Hadal-Zone hinab.

Wenige Meter den Graben hinab sah man schier endlos lange Ranken, die sanft im Strom umhertanzten. Sie gehörten dem Körper einer unförmigen Kreatur an. Es war beeindruckend, dass sie ihre langen Gliedmaßen kontrollieren konnte. Sie war von den Tiefen offenbar unbeeindruckt.

“Leute, seht ihr das?” rief er aufgeregt und zeigte auf das merkwürdige Wesen. “Es ist eine Magnapinna!”

Er joggte beinahe an den Rand, um einen besseren Blick darauf werfen zu können. Der Anzug ächzte unter der Anstrengung.

“Übe nicht so viel Stress auf den Anzug aus,” unterbrach Henry über das Radio.

“Er wird’s schon aushalten, wofür haben sie sonst bezahlt?” fragte Mike.

Als er näher an die Qualle kam tauchte eine zweite direkt dahinter auf, mit noch längeren Gliedmaßen. “Verdammt, ich hätte nie gedacht mal eine aus solcher Nähe zu sehen.”

“Hör auf herumzualbern und steig in den Aufzug,” forderte Henry.

“Schon gut, schon gut, dann lasst uns eben keinen Spaß an unserem Job haben,” antwortete Mike.

Er betrat den Aufzug und hakte sich darin ein. Vor ihm lagen weitere viereinhalb tausend Meter in den Abgrund. Der Aufzug war eine laute aber robuste Maschine, in der Lage dem immensen Tiefendruck der gefürchteten Hadal-Zone standzuhalten. Mike selbst würde die Geschwindigkeit des Abstiegs kontrollen und die Kontrolle nur abgeben, sollte etwas passieren.

Kurz darauf startete Mike den Aufzug.

“Der Anzug gibt seltsame Geräusche von sich,” sagte er.

“Das ist normal, er passt sich an den Druck an. Wir haben dir gesagt was passiert, wenn du noch tiefer gehst;” erklärte Henry in einem genervten Ton.

“Ja, ich weiß aber…”

“Mach dir keine Sorgen.”

8200 Meter…

Erneut stoppte Mike den Aufzug und richtete seinen Blick auf einen Vorsprung der aus der Klippe ragte. Darauf lagen die Überreste eines Grönlandwals, fast einen halben Planeten von seiner eigentlichen Heimat entfernt.

Der Wal war stellenweise ausgehöhlt und übersäht mit Tiefsee-Aalen und winzigen, augenlosen Fischen. Ein ganzes Ökosystem gedeihte hier durch seinen Tod.

“Wie ist der Wal denn hier her gekommen?” fragte Mike.

“Er ist gestorben. Wie auch alles andere hier unten.” sagte Henry.

“Ja, nur ist es ein Grönlandwal, zumindest vermute ich das. Leben die nicht eher in der Arktis?”

Henry seufzte, “fahre einfach mit dem Abstieg fort.”

10800 Meter: Horizon Deep…

Der Aufzug erreichte den Grund des Grabens in etwa einer Stunde und Mike konnte sich endlich wieder ausklinken. Er griff nach einer Kiste mit Leuchtfeuern, um nachfolgenden Forschern die Orientierung dort unten zu erleichtern.

Nachdem er von der Plattform gestiegen und von den hellen Lichtern davongekommen war, wurde schnell klar, dass der Meeresgrund alles andere als leer war. Er war übersät mit bisher unentdeckten Lebewesen; Millionen von pilzähnlichen Pflanzen durch die transparente, fette Shrimps schwammen, welche sich anscheinend davon ernährten.

An der Klippe selbst existierten tausende von biolumineszierenden Pflanzen. Sie bestanden bloß aus einem Stiel mit einer blauen Leuchte und sie beugten sich in Mikes Richtung. Es war verstörend schön. Es sah so fremd aus, als käme es von einem anderen Planeten.

Er lief weiter an der Klippe entlang und setzte etwa alle dreißig Meter ein Leuchtfeuer.

“Ich hatte schon erwartet es wäre furchtbar hier unten,” sagte Mike. “Wenn es schon nach dem Gott der Unterwelt benannt wurde und so.”

Niemand ging auf seinen Kommentar ein.

“Leute, ihr könnt mich noch hören, oder?”

“Ja Mike, das tun wir,” sagte Henry. “Wir sind hier um zu arbeiten, nicht für blöde Witze.”

“Hat man dir jemals erzählt wie viel besser das Leben sein kann, wenn man zumindest versucht es zu genießen, Henry? Sei nicht so ein Spießer, wir schreiben hier unten Geschichte.”

Henry antwortete nicht darauf.

“Warum reichst du nicht Abby das Radio? Verdammt, ich würde sogar lieber mit dem Captain über irgendwelche Protokolle reden und-”

Mike hielt inne. Er hatte das Ende der Klippe erreicht. Vor ihm ging es steil abwärts in absolute Schwärze hinab.

“Äh, Henry, bist du dir sicher, dass mich der Aufzug nach ganz unten gebracht hat?” fragte er und starrte in den Abgrund.

“Ja, du bist über zehntausend Meter tief.”

“Nun, es ist nur so, das ich gerade an der Kante einer Klippe stehe und das hier offensichtlich nicht der tiefste Punkt ist.”

“Das ist unmöglich, wie haben die Gegend via Sonar ausgekundschaftet.”

“Okay, nur sage ich dir, dass-”

Der Boden unter Mikes Füßen brach in Stücke. Er schlitterte die Klippe tiefer ins Ungewisse hinab. Die Dunkelheit, die ihn umringte war nun absolut. Nichts konnte ihm helfen sich beim Fall zu orientieren.

Im Ozeans zu fallen war ein viel langsamerer Prozess und es gab ihm Zeit darüber nachzudenken, welches Schicksal ihn wohl in den Tiefen erwartete, die noch nie von Menschen erforscht wurden. Er rief nach seinen Besatzungsmitgliedern während er verzweifelt versuchte halt an der Klippe zu finden. Doch selbst mit seinem Anzug gelang es ihm nicht seinen Abstieg zu verlangsamen.

Während er tiefer und immer tiefer fiel, fing sein Anzug an laute Piepgeräusche von sich zu geben, welche ihn über den rapiden Druckunterschied interformierten. Der Druck maß nun über sechzehntausend psi, doch bevor er auf das Piepen reagieren konnte prallte er hart auf dem Boden auf.

Mike wurde still, ohnmächtig vom Aufprall.

Das Nichts 

Minuten nach seiner Landung in unbekannten Tiefen erwachte Mike zum Piepen seines Anzugs. Der Anzug hatte standgehalten und sich dem Druck angepasst. Das Manometer war kaputt und mit seiner gestörten Trackingeinheit konnten wir nur schätzen wie tief er gefallen war.

Mike grunzte als er sich aufrichtete. Er brauchte etwas Zeit um zu realisieren was passiert war.

“Henry, bist du da?” sagte er schließlich.

Keine Antwort.

“Captain, irgendjemand?”

Neben ein paar defekten Instrumenten waren die meisten Funktionen seines Anzugs intakt geblieben, jedoch konnte er keinen Kontakt mit der Basis herstellen. Alles was ab nun geschah, passierte nach dem Moment, in dem die Kommunikation abgebrochen war. Wir warteten gespannt darauf, welches Schicksal Mike ereignen sollte.

Obwohl er  gerade weitaus tiefer, als was wir den Meeresboden vermutet hatten gefallen war, befand er sich auf einem weiteren Plateau. Schier endlos ging es darunter noch weiter hinab. Der Abgrund verspottete uns regelrecht mit seiner unaufhörlichen Leere.

“Bitte, antwortet mir,” flehte er, geschlagen.

Er aktivierte die Leuchtfeuer, die noch an ihm hingen und untersuchte seine Umgebung. Er war direkt vor den Eingang einer Höhle in der Klippe gefallen. Deren Eingang führte steil nach oben. Das Protokoll sah vor sich in solchen Situationen auf keinen Fall vom Fleck zu bewegen, doch wir konnten gurgelnde Geräusche aus der Höhle kommen hören. Was auch immer es genau war, es brachte Mike dazu sich in der Höhle umzusehen.

Die Wände waren komplett glatt. Es war eine unnatürliche Gesteinsformation, welche das Licht von seinem EDM Anzug reflektierte und somit die Höhle hell erleuchtete.

Mike starrte die glänzenden Wände einen Moment lang an und passte dann sein Licht an. Sie hatten zuerst völlig glatt gewirkt aber bei direkter Lichteinstrahlung wurden bizarre Muster, fast wie Symbole darauf sichtbar. 

Während er eines dieser Symbole studierte, hallte ein lauter Ton durch die Höhle und riss Mike beinahe von den Füßen. Es klang ähnlich wie das Biotwang aber der Rhythmus war anders.

Der Ton schien Mike in eine noch tiefere Trance zu versetzen und er lief folgsam in Richtung der Quelle, womit seine Chancen einer Rettung weiter schwanden.

Die Höhle wurde stetig größer. Sie erstreckte sich weiter als jegliche von Mikes Lichtquellen leuchten konnten. Anders als im Eingang waren die Wände nun nicht mehr glatt, sondern mit Millionen von kleinen Löchern übersät. Jedes ein perfekter Kreis und identisch zum nächsten.

Bei näherer Untersuchung waren die Löcher jedoch nicht leer, sondern mit Würmern gefüllt. Es waren dieselben, die wir aus seinem Körper haben kriechen sehen, als wir seine Leiche in der Luftschleuse untersucht hatten. Sie wackelten umher und streckten sich nach Mike als er weiter durch die Höhle lief. Er wurde weiter zum nun lauter werdenden Ton in der Distanz gezogen.

Je tiefer er kam, desto weniger schienen ihn die Löcher abzulenken, obwohl sie nun, zusammen mit den Würmern, in der Größe gewachsen waren. Sein einziges Ziel war die Quelle des Tons zu erreichen.

Neben den Würmern, liefen auch langbeinige Kreaturen über den Boden. Sie sahen wie schalenlose Spinnenkrabben aus. Sie steckten ihre Füße gelegentlich in die Löcher, wo sie temporär mit den Würmern verschmolzen. Dies schien die Würmer zu nähren, da sie wuchsen, während die Beine der Krabben immer kürzer wurden.

Letztlich erreichte Mike eine Beuge in der Höhle und damit auch die Quelle des Tons. Es war ein halb aufgefressenes Walkalb, welches durch hunderte massive Würmer, die in sein Fleisch gruben, mit der Wand verbunden war. Obwohl es schon halb verzehrt war und keine Überlebenschance mehr hatte, unterlag es seinen Verletzungen jedoch nicht. Es war als würden die Würmer es am Leben erhalten. Eine unverhoffte Lebenserhaltungsmaßname. Das Walkalb wurde einfach für neue Zwecke weiterverwendet.

Es öffnete sein halb zerfressenes Maul und Mike konnte direkt auf seine Stimmbänder sehen, welche ebenfalls mit Würmern bedeckt waren. Der Wal schrie und der ausgestoßene, verzerrte Ton zog Mike noch näher an ihn heran.

Während Mike abgelenkt war, krochen einige Würmer aus ihren Löchern und kreisten ihn rasch ein. Innerhalb weniger Sekunden waren sie miteinander verschmolzen, hatten seine Beine eingewickelt und kletterten seinen Anzug hinauf. Dies brachte Mike für einen kurzen Moment zurück zu Verstand und er versuchte sie von sich loszureißen, jedoch waren sie wesentlich schneller als er und schlossen ihn kurz darauf vollständig in seiner metallenen Box ein.

Mike wurde still und auf den Aufnahmen war nichts, als eine fleischfarbende Masse zu sehen, die den gesamten Ton der Aufnahme verstummen ließ. Alles, bis auf Mikes panisches Atmen.

Er schrie auf, als ein lauter Knall ertönte, welcher beinahe die Lautsprecher zerfetzte. Es war das Geräusch seines Anzugs, welcher gerade perforiert worden war und an welchem sich in diesem Moment das graue Fasernetz bildete, welches wir später finden würden. Die Kreaturen hatten einen Weg in seinen Anzug gefunden und bohrten sich nun in sein Fleisch. Mike schrie noch ein letztes Mal schmerzerfüllt auf, bevor die Stille übernahm. 

Wir alle standen sprachlos vor dem Monitor, auf welchem nun nichts als ein Timer zu sehen war, was beweiste, dass die Kamera noch immer lief. Abby war bereits gegangen und James war ihr gefolgt, um sie zu beruhigen.

“Das kann nicht alles sein,” sagte Robert.

“Lasst es mich vorspulen.” Henry flüsterte fast. Auch er war tief schockiert.

Wir spulten durch fast drei Tage des Nichts, während denen die Würmer sich in Mikes Körper einnisteten, der noch immer alleine in der Höhle gefangen war, ohne Kontakt zur Außenwelt.

Dann erhellte sich das Bild erneut als die Fleischschicht sich langsam abschälte. Offenbar war Mike inzwischen zurück zum Aufzug gekehrt. Drei Tage lang war er dort unten vom Syncytium eingenommen gewesen und nun kontrollierte Mike es. Zumindest das, was von ihm übrig geblieben war.

Er lief auf die Station zu und mit jedem Schritt fielen weitere Flocken des Syncytiumfleisches von seinem Anzug ab. Die  Besatzung war nun wieder in Kontakt mit ihm, da das Radio erneut in Reichweite gekommen war, doch Mike konnte nicht antworten. Alles war er hervorbrachte war ein leises gurgeln, vermutlich, da die Würmer seine Lungen besetzt hatten.

Er stolperte zurück in die Luftschleuse, bereit die gesamte Station zu infizieren. Doch für einen kurzen Moment hielt er inne, als hätte er die Kontrolle über seinen Körper wiedererlangt. Es war Zeit genug um die Luftschleuse zu schließen und sich selbst darin einzusperren.

Mike fiel zu Boden. Er war bereits vor Tagen gestorben, doch sein Wille war geblieben, selbst nachdem sich sein Körper langsam in eine Brutstätte für die Monster in ihm verwandelt hatte.

Die Aufnahmen endeten hier…

Für einen kurzen Moment herrschte auf der Station völlige Stille. Niemand wagte es auch nur ein Wort zu sprechen. Auch ich konnte kaum glauben, was ich gerade gesehen hatte, auch wenn ich beinahe demselben Schicksal zum Opfer gefallen wäre.

“Henry, ruf das Hauptquartier an und sag ihnen, dass wir das Projekt stilllegen,” sagte Robert und brach damit die Stille. “Jennifer, zerstöre alle Proben aus der Schleuse. Sie sind noch immer verschlossen, richtig?”

Jennifer nickte und machte sich auf ins Labor.

“Wir müssen sicherstellen, dass, was auch immer dort unten im Graben ist, auch dort bleibt.”

Ich blieb bei Henry, während er versuchte mit dem Hauptquartier Kontakt aufzunehmen, doch das Radio gab nichts, als ein verzerrtes Kratzen von sich. Robert überprüfte in der Zwischenzeit alle Überwachungskameras und sendete Drohnen aus, die Ausschau nach dem Syncytium am Aufzug halten sollten.

“Captain, die Kommunikationswege sind komplett blockiert, ich bekomme kein Signal.”

Auf den Überwachungskameras sahen wir, wie das Syncytium sich über dem Meeresboden ausbreitete und einen Teil der Fischkadaver, die wir zuvor gesehen hatten, bedeckte. Es war unglaublich groß geworden und nutzte den Aufzug und die Plattform als Gerüst, um sich zur Station hin auszudehnen.

Ein lautes metallenes Donnern dröhnte durch die Station, gefolgt von einem Alarm.

“Was zur Hölle war das?” fragte ich.

“Leck in Sektor C,” kündigte eine Computerstimme an.

“Sofort abschotten!” befahl Robert.

“Was ist mit-” 

“Tut es einfach!” fuhr er fort.

Henry navigierte hektisch durch das Sicherheitssystem, um einen Überblick über den Schaden zu bekommen.

“Was befindet sich in Sektor C?” fragte ich.

“Das Labor. Verdammte scheiße, ich hoffe Jennifer ist noch nicht dort angekommen.” sagte Henry.

Während die Station abgeriegelt wurden und alles in ihrem Inneren einschloss, erschütterte uns ein weiteres Donnern. Der Alarm ging erneut los.

“Leck in Sektor B.”

“Scheiße, scheiße, scheiße, was jetzt?” fragte Henry.

Robert verfiel in Schockstarre. Er überlegte, ob es besser sei die Station zu retten oder zu fliehen.

“Wir müssen evakuieren.”

_____________________________________

Der Großteil meiner Crew verspürte nach dem Verlassen der Navy eine große Sehnsucht nach dem Meer. Dies traf ebenfalls auf meinen U-Bootskapitän Louis Johnson zu. Er sprach immer davon, dass die See seine letzte Ruhestätte werden würde. Dass er dorthin gehörte. Nachdem seine Zeit in der Navy vorüber war fing er direkt mit dem Überdruckschweißen von Rohrleitungen unter Wasser an. 

Es ist ein gefährlicher Job, in dem der einzige Feind unsichtbar ist und dich bei jedem Tauchgang beobachtet; Ein Fein, für den man kein Gespür bekommen kann, der jedoch die Macht hat alles in dem Bruchteil einer Sekunde zu zerstören. Druck.

“Vielleicht bin ich verflucht und es ist mir nicht möglich unter meinen Leuten an Land zu leben aber zumindest werde ich dort sterben, wo ich hingehöre.” hatte er gesagt.

Johnson war glücklich genug mit seiner einzig wahren Liebe für immer vereint zu werden, nachdem eine Explosion ihm endlich eins mit dem Meer werden ließ.

Es ist lustig, wie das Gehirn sich verhält, wenn alles um einen herum ins Chaos verfällt, weit außerhalb deiner eigenen Kontrolle. Sobald du nichts mehr tun kannst verwandelt sich dein Verstand in einen sicheren Ort, geflutet von schönen Erinnerungen von vor einer langen Zeit. Für mich bestanden diese Erinnerungen aus meiner Zeit, in der ich gedient hatte, handelten von meinem Captain und seiner Crew. Es war keine einfache Zeit aber eine Zeit mit Bestimmung und meine Probleme waren einzig und allein auf den Ozean beschränkt. 

Als Robert rief ich solle meinen Arsch in Bewegung setzen sprang mein Verstand schließlich zurück in die Realität.

“Doc, kommen sie, wir müssen verdammt nochmal hier raus!” rief er.

James kam zusammen mit Abby zurück zum Zentrum. Sie hatten den Alarm gehört aber nicht die geringste Ahnung was während ihrer kurzen Abwesenheit geschehen war.

“Geht zu Sektor A, dort sind noch immer zwei Transportkapseln. Macht Nummer null-fünf bereit zum Ablegen und wartet dann auf mich,” sagte Robert.

“Cap, was wirst du tun?” fragte James.

“Jennifer ist eingeschlossen, ich hole sie da raus.”

“Was, wenn die Viecher reingekommen sind?” fragte Abby.

Robert dachte einen kurzen Moment lang nach. dann reichte er ihr entschlossen ein Funkgerät.

“Wenn ihr bis in fünfzehn Minuten nicht von mir hört, geht,” befahl er.

Die Station bebte, als ein weiteres Loch in einen der Sektoren gerissen wurden. Meine Ohren knackten von der Schockwelle.

“Ich komme mit dir,” sagte James. “Du wirst sie nicht alleine bekämpfen.”

“Nein, wir brauchen dich um die Kapsel zu steuern. Wenn du verletzt wirst sitzen wir hier unten fest.”

Das war keine gute Ausrede, wir alle wussten sehr wohl, dass das U-Boot einfach genug für jeden von uns zu steuern war aber Robert bestand darauf keine weiteren Leben zu riskieren und hielt an jeder Begründung fest, die er fassen konnte.

“Cap, bitte.”

“Das ist ein Befehl und jetzt verschwindet von hier!”

Zögernd gingen die anderen davon.

“Aber ich begleite dich. Ich habe keine Ahnung von dieser Station oder dem U-Boot aber ich kann dich zumindest unterstützen, wenn etwas passieren sollte.” sagte ich und wusste ganz genau, dass er mit keiner guten Ausrede aufkommen konnte um mich abzuhalten.

Er stimmte widerwillig ein und zusammen machten wir uns auf den Weg zu den Laboren in Sektor C, besorgt, dass Jennifer vielleicht hinter einer Luftschleuse gefangen sein könnte… oder schlimmer.

Ertrinken ist ein furchtbarer Tod. Wenn du realisierst, dass es keinen Weg gibt die Oberfläche zu erreichen, dass du in einem kalten, dunklen Grab gefangen bist, schließt sich deine Kehle einfach. Egal wie sehr du es auch versuchst Luft zu holen, dein Körper weigert sich. Auch wenn der qualvolle Schmerz des fehlenden Sauerstoffs deinen natürlichen Instinkt zu Atmen übermannt, gibst du ihm einfach nicht nach. Es ist erst, wenn dein Körper anfängt die Kraft zu verlieren und dein Blickfeld schwarz wird, dass du den Punkt erreichst an dem dein Gehirn entscheidet etwas einzuziehen, egal ob es Luft ist oder nicht. Dann plötzlich erfüllt eiskaltes Wasser deine Lungen, die doch so verzweifelt nach Luft ringen.

Es ist ein unschöner, schmerzhafter Weg diese Erde zu verlassen und wenn das Wasser alle Alveolen gefüllt hat sind die meisten Menschen sogar noch bei Bewusstsein und haben gerade genug Zeit übrig, um zu bereuen jemals in die Nähe eines Ozeans gekommen zu sein. 

Ich fand es amüsant, wie mein einziger Gedanke während wir zur Luftschleuse rannten war, dass wir wenigstens nicht ertrinken würden. Die Würmer würden und sicherlich schon vorher fressen oder zumindest würde uns der Druck des kollabierenden Doms augenblicklich zerquetschen.

“Wie könnte die Station überhaupt beschädigt werden?” fragte ich, als wir näher kamen.

“Es sollte eigentlich unmöglich sein aber ich bin mir sicher es waren diese kleinen Monster,” antwortete Robert.

Der Alarm hatte aufgehört uns über die Lecks zu informieren und empfahl nun eine stationsweite Evakuierung.

“Warnung: Oberflächenintegrität schwer beeinträchtigt. Alle Besatzungsmitglieder werden aufgefordert unmittelbar ihre designierte Andockstation aufzusuchen.” 

“Wie viel Zeit haben wir noch?”

“Nicht genug.”

Als wir um die letzte Ecke zu Sektor C gingen konnten wir Jennifer mit dem Rücken zur Wand gegen die Luftschleuse sitzen sehen. Es dauerte einen Moment bis wir realisierten, in welch furchtbarer Situation sie sich befand. Ihre Beine waren mit dem Syncytium verschmolzen. Es hatte begonnen ihren Torso zu fressen und bahnte sich einen Weg in ihre Organe, um diese zu ersetzen.

Doch trotz alldem war sie bei Bewusstsein.


“Jen,” sagte Robert. Es war das einzige Wort, das er in dieser Situation hervorbringen konnte.

Sie drehte langsam ihren Kopf in unsere Richtung. Ihre Augen waren aufgrund ihrer inneren Blutungen komplett rot.


“Captain, sind Sie das?” sagte sie schwach. Das viele Blut in ihren Augen hatte sie blind gemacht.

“Ich bin hier, Jen.”

“Ich schätze die Proben waren doch noch nicht tot,” witzte sie mit kratziger Stimme und hustete eine Mixtur aus Blut und Gewebe hervor. “Sagen Sie dem Arzt, er soll die verdammten Viecher in Zukunft lieber zweimal überprüfen.”

“Er ist hier bei mir, “ erklärte Robert. “Es tut mir so leid, Jen, aber-”

“Ich weiß. Ihr könnt nichts mehr für mich tun. Ich schätze das war’s.”

Sie hustete Teile ihrer Lunge vermischt mit vereinzelten Würmern hervor.

“Keine Sorge, Captain. Es ist nicht Ihre Schuld, dass diese Monster sich dazu entschieden haben aus dem Abgrund zu kriechen, um uns zu töten.” sagte sie. Ihre Stimme brach und sie stöhnte vor Schmerzen.

Ich sah hinüber zu Robert. Er sah entsetzt aus, konnte seinen Blick jedoch nicht abwenden.

“Es tut wirklich weh. B-Bitte werft die Schleuse aus” klagte sie. “Ich möchte, dass es endlich vorbei ist.”

Robert nickte zustimmend. Er vergaß, dass sie ihn nicht sehen konnte.

Ich lief derweil hinüber zur Konsole. Sie war ziemlich einfach zu bedienen, besonders nachdem ich Henry dabei zugesehen hatte, wie er sie genutzt hatte. Alles was ich benötigte war ein Pass-Code.

“Ich werde es tun,” versicherte ich Robert. Es wäre nicht richtig gewesen, ihn mit ihrer Tötung zu beauftragen.

“Rob,” sagte Jennifer.

“Ja.”

“Versprich mir, dass du diese Mistviecher nicht an die Oberfläche gelangen lässt.”

“Ich verspreche es.”

Ihr Unterleib wölbte sich und sie schrie vor Schmerz auf, als einige Würmer sich durch die Haut nach außen bohrten.

“Captain, der Code?”

Er gab mir die Nummer durch und ich gab sie ohne zu zögern ein. Ich hatte Jahre damit verbracht Leuten dabei zusehen zu müssen, wie ihr unausweichlicher Tod unnötig hinausgezögert wurde. Es hatte mich abstumpfen lassen, was mir jetzt zu Gute kam.

Augenblicklich öffneten sich die Klappen in den Wänden und ein Alarm ertönte, während das Wasser hinein strömte. Da die Hülle aber bereits beschädigt war kollabierte gleich der ganze Raum. Jennifer war innerhalb weniger Sekunden verstorben.

“Und jetzt raus hier,” sagte Robert.

Wir rannten zurück zum Zentrum. Wir mussten durch die komplette Station laufen um zu Sektor A zu gelangen. Es war der einzig verbleibende Ausweg. Als wir an den Büros vorbeiliefen hörten wir, wie sich etwas in den Wänden bewegte. Es bahnte sich seinen Weg durch die Rohre.

“Die Pumpen!” rief Robert. “Sie gelangen durch die verdammten Pumpen hinein!”

Talos’ Pumpen waren im Vergleich zum Rest der Station antike Maschinerie. Während der Erbauung des Doms mussten Tonnen an Wasser gegen den immensen Druck nach außen befördert werden, aber nachdem die Station fertiggestellt wurde, gerieten die Pumpen in Vergessenheit, da langfristigere Lösungen integriert wurden.

Bevor wir reagieren konnten brachen die Wände auch schon auf und das Syncytium floss durch die Löcher hinein in die Station. Es verbreitete sich blitzschnell entlang der Wände.

Wir waren vom Ausgang abgeschnitten. Das Büro zu unserer Linken war unsere einzige Zuflucht. Doch auch hier würden wir nur kurzfristig Schutz vor den Biestern finden. Schon bald würde es zu einem weiteren Gefängnis werden, dass unseren Tod nur verzögerte.

“Es wird sie nicht ewig abhalten,” sagte Robert.

“Was jetzt?”

Robert lief zielgerichtet auf seinen Schreibtisch zu und holte eine Pistole aus der obersten Schublade.

“Du hast eine Waffe an den Boden des Ozeans mitgebracht?” frage ich.

“Du etwa nicht?” entgegnete er. “Man kannst nie wissen, wann man eine Meuterei unterdrücken muss.” Er lachte nervös.

Er sah, dass mir sein Humor nicht zusagte. Wir wussten beide, dass eine Waffe die Ausbreitung des Syncytium nicht sonderlich verlangsamen würde aber inzwischen war jegliche Hilfe willkommen. Robert durchsuchte nun die Schränke und holte letztendlich zwei Schutzanzüge hervor. Es waren die gleichen, die ich schon bei Mikes Untersuchung an gehabt hatte.

“Er hat dich in der Luftschleuse geschützt, nicht wahr?” fragte Robert mit flehenden Augen.

“Sie haben einen eurer EDM Anzüge perforiert, der aus verdammten Metall gemacht wurde. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie hiervor halt machen werden. Es könnte sie kurzfristig abhalten aber das war’s auch.” sagte ich.

“Mehr brauchen wir nicht. Es ist unsere einzige Chance.”

Die Würmer hatten sich vor der Tür aufgehäuft und einen unförmigen Fleischklumpen gebildet, der anfing das Glas zu zerdrücken.

“Jetzt oder nie. James hat das Scheiß U-Boot hoffentlich bereit zum Ablegen,” sagte Robert, während wir in die Anzüge stiegen. Er feuerte einen Schuss. Nicht auf die Tür, sondern auf die Wand aus gehärtetem Glas daneben, welche augenblicklich in Millionen rechteckige Stücke zersprang, durch welcher wir hindurchsprangen..

Ich stolperte und ein paar der Würmer krochen auf meine Hand, als ich aufstand. Robert schlug sie von mir runter und zog mich mit ihm vorwärts. Wir rannten den restlichen Weg nach Sektor A.

Wir waren schneller als die Würmer, jedoch hatten diese ein Netz gebildet, dass den größten Teil der Decke bedeckte. Bei jedem Schritt regneten ein paar der Würmer auf uns hinab.

Sie brachen durch ein weiteres Loch in der Wand genau vor der Schleuse Richtung Sektor A und häuften sich vor der Tür auf.


“Scheiße!” schrie Robert, während er instinktiv seine Waffe zog und auf die Masse am Boden schoss.

Ich fror auf der Stelle ein, als ich sah, wie die Würmer die Kugel einfach in sich aufnahmen, bevor sie geschwind auf uns zu gekrochen kamen. Ich versuche mich umzudrehen und zu rennen, war jedoch zu langsam. 

Entgegen meiner Erwartung ließen mich die Würmer jedoch in Ruhe und strömten ausschließlich auf Robert zu und zogen ihn zu Boden. Er schrie auf, während sie seine Gliedmaßen umringten und ihn kampfunfähig machten. Ich lief zu ihm hinüber und versuche ihn zu befreien, doch auf jeden entfernten Wurm folgten ein Dutzend neue.

Innerhalb weniger Sekunden schafften sie es ein Loch im Bereich der Achselhöhle seines Anzugs zu graben. Augenblicklich quetschten sie sich in Massen in seinen Anzug hinein. Verzweifelt versuchte ich etwas dagegen zu unternehmen, doch Robert stieß mich von sich weg, da er realisierte, dass für ihn jede Hilfe zu spät kam.

“Mach’ das das du hier weg kommst, Doc,” keuchte er hervor, während sich seine Lungen bereits mit Blut füllten.

Ich zögerte nicht. Schändlicherweise. Ich rannte um mein Leben, während das Syncytium zu beschäftigt damit war Robert aufzufressen. Egal was ich getan hätte, er war bereits tot.

Die Flure verengten sich drastisch, als ich zurück in Sektor A gelangte. Hektisch versuchte ich den Code zum Verriegeln der Luftschleuse einzugeben, doch mit meinen zittrigen Fingern benötigte ich zwei Versuche. Erneut war ich von der Abscheulichkeit auf der anderen Seite der Tür getrennt.

“Es tut mir so leid, Robert,” flüsterte ich mir selbst zu.

Der zentrale Dom kollabierte schließlich doch unter dem Druck und Unmengen an Wasser strömte durch die Decke hinein, bevor die zentrale Stromleitung den Geist aufgab und mich im Dunkeln zurückließ.

Es herrschte eine beunruhigende Stille, während ich mir meinen Weg zur Andockstation bahnte. Obwohl angeblich jeder Sektor einen eigenen Notfall-Generator besitzen sollte, war der aus Sektor A bis jetzt nicht angesprungen, was es erschwerte den richtigen Weg durch das Flur-Labyrinth zu finden.

“Kann mich jemand hören?” rief ich. Mein Echo hallte schier endlos wider.

Als ich mir gerade den Kopf stieß, sah ich ein Licht in der Ferne aufblitzen. James kam kurz darauf auf mich zugerannt. Er hielt eine Taschenlampe.

“Doc, sie leben! Gott sei Dank!” sagte er, doch seine Freude schwand schnell, als er realisierte, dass ich alleine gekommen war.

“Was ist passiert? Wo sind Jen und der Captain?”

Da keine Worte aus meinem Mund kommen wollten schüttelte ich einfach mit dem Kopf. Nichts hätte besser beschreiben können, was im Dom vor sich gegangen war und die Abwesenheit der beiden sprach für sich selbst.

“Ich schätze es bleibt keine Zeit über die beiden nachzudenken, wir müssen sofort evakuieren. Die Kapsel ist bereit zum Ablegen, wir müssen nur noch darauf warten, dass Henry uns den Strom wieder anstellt.”

Als wir an der Andockstation ankamen stellte ich erleichtert fest, dass die Decke dort ein klein wenig höher war. Henry arbeitete an der Schaltfläche und versuchte herauszufinden, was das Starten des Generators verhinderte. Abby stand mit einer Taschenlampe in der Hand hinter ihm.

“Gott verdammt!” schrie er. “Etwas hat den Generator abgerissen. Ich weiß nicht genau wie aber weiß was es war. Scheiß Dämonenbrut.”

Er seufzte. 

“Ohne Strom und mit beschädigter Hülle kann ich das U-Boot nicht aus der Station lassen. Das bedeutet wir sitzen hier fest.”

Niemand sprach ein Wort. Gefangen in einer Blechdose, 6000 Meter unter Wasser, ohne Transportmöglichkeit.

Nach einer gefühlten Ewigkeiten brach Henry die Stille.

“Das sind alles tolle Ideen, die ihr da habt aber sie helfen uns nicht,” sagte er sarkastisch, da niemand den Versuch unternahm eine Lösung des Problems zu finden.

“Hast du denn irgendwelche Ideen, du Genie?” fragte Abby.

Henry seufzte erneut.

“Ehrlich gesagt habe ich eine.”

Er stieg in die Kapsel und hantierte an der Elektronik herum, bis er eine der Schaltflächen in der Hand hielt.

“Es gibt drei Batterien an Bord und so wie ich es sehe könnte ich eine zum Anpowern herausnehmen und mit dem restlichen Saft solltet ihr trotzdem bis zur Oberfläche kommen.”

“Ihr?” fragte James.

“Ich muss die Batterie an der Schleuse anschließen,” sprach er weiter, während er eine von ihnen aus der Kapsel zog. “Dann öffne ich die Tür und der resultierende Druck des Wassers sollte stark genug sein, um das U-Boot erfolgreich auszustoßen.”

“Was ist mit dir?” fragte Abby.

“Nun, irgendjemand muss zurückbleiben und den Plan durchführen.”

“Lass mich das tun,” unterbrach James die beiden.

“Nein, du Idiot. Eine falsche Verbindung und die Tür bleibt für immer geschlossen. Ich bin der Einzige, der weiß was er zu tun hat.”

“Es muss doch einen anderen Weg geben.”

“Es ist der einzige Weg, glaub mir.”

James und ich sahen uns gegenseitig an. Wir beide wollten etwas sagen, doch keinem von uns fiel eine bessere Idee ein. Henry stieg erneut in die Kapsel und brachte die Schaltfläche wieder an.

“Ich wünschte ihr wärt alle etwas schlauer, damit einer von euch zurückbleiben könnte,” sagte er in seinem üblichen sarkastischen Ton. Doch zum ersten Mal hatte er dabei ein kleines Lächeln im Gesicht.

“Danke,” sagte ich.

“Ja ja, schon gut. Zeit für euch zu gehen,” sagte er noch, dann schloss er die Tür der Kapsel.

Wir beobachteten ihn dabei, wie er sich ein letztes Mal von uns entfernte, bereit seinem Schicksal ins Auge zu blicken. Er war ein Arschloch bis zum bitteren Ende aber hatte ein gutes Herz. Wie seine umgekommenen Crewmitglieder würde er für immer hier unten verbleiben und nie wieder das Sonnenlicht erblicken.

Alles lief wie in Zeitlupe, während wir darauf warteten von einer Welle erfasst zu werden, die uns genauso gut hätte zerquetschen können, aber mit einer Menge Glück würde sie uns aus der Station schießen und von dort hatten wir eine Chance die Oberfläche zu erreichen.

Minuten später hörten wir, wie sich die Luftschleuse öffnete, bevor sie unter dem Druck explosionsartiger Wassermassen und Unmengen Syncytiumfleisch in Stücke gerissen wurde.

Nur wenige Sekunden später wurden wir von der Welle erwischt und aus Talos herausgeschossen. Die Flure hinter uns kollabierten dabei. Es hatte uns hart erwischt aber wir überlebten den Aufprall.

James übernahm die Kontrolle des Schiffs und zögerte nicht mit dem Aufstieg zu beginnen.

Abby und ich starrten aus dem winzigen Fenster. Auf der anderen Seite sahen wir die Überreste von Talos, die spärlich von den Lichtern aus Sektor C beleuchtet wurden, der komplett vom Syncytium bedeckt war.

Die tausenden Fisch-Kadaver, die zuvor den Meeresboden bedeckt hatten waren verschmolzen mit der immer weiter wachsenden Masse aus dem Abgrund.

Endlich ließ meine Anspannung etwas nach. Mein Herzschlag wurde von Minute zu Minute unseres Aufstiegs ruhiger. Ich fühlte nicht länger den Drang ständig aus dem Fenster schauen zu müssen. Die Welt dort draußen war dunkel und egal welches Leben dort unten verblieb, es wurde zusammen mit meiner Sehnsucht nach dem Ozean vernichtet. 

Inmitten der Mitternachtszone, in etwa 2500 Meter Tiefe konnten wir den ersten Kontakt zur USS Orion herstellen und beauftragten eine Not-Evakuierung. Sie waren noch ein ganzes Stück von uns entfernt aber würden noch genug Zeit haben uns beim Auftauchen in Empfang nehmen zu können, interessiert daran, was uns denn zugestoßen war.

In 1000 Metern Tiefe erreichten uns die ersten schwachen Lichtstrahlen und der Ozean füllte sich allmählich wieder mit Leben. Friedlichem Leben, das vermutlich völlig unwissend über den Horror, der untern ihnen existierte, war. Die tiefe Dunkelheit verwandelte sich in ein beruhigendes Blau und zum ersten Mal, seit ich für diesen Job angeheuert wurde, fühlte ich mich sicher.

Es dauerte nicht lange, bevor die Oberfläche durchbrachen. Wir wurden von einem Team, dass in Schutzanzügen gekleidet war begrüßt, welches uns an Bord ihres Schiffes holte. Da wir sie nicht über die Situation dort unten hatten informieren können,  wussten sie bislang bloß, dass eine mögliche Infektionskrankheit dort unten existierte. Eine, die wir mit zurückgebracht haben könnten, weswegen sie uns verständlicherweise auf der Krankenstation vom Rest der Besatzung isolierten.

72 Stunden lang steckten sie uns Nadeln in den Körper und nahmen verschiedenste Proben. Darunter sogar Rückenmark. Nachdem alle Ergebnisse negativ zurückkamen und keiner von uns Anzeichen einer Krankheit zeigte entließen sie uns schließlich in gemütlichere Kabinen auf unserem Weg an Land.

Nach meiner Zeit auf der Krankenstation sah ich James und Abby kaum noch. Sie beide blieben überwiegend auf ihren Zimmern und kamen nur für Befragungen heraus. Das Hauptquartier war sehr erpicht darauf zu verstehen, wie ein hochmodernes Unterwasserlabor urplötzlich kollabieren konnte, denn wir hatten keinerlei Beweise um zu belegen was uns zugestoßen war.

Sie brauchten einen Schuldigen, doch da ich dem Seuchenschutz und nicht der ursprünglichen Besatzung von Talos angehörte, war ich fein raus.

Alles was von mir verlangt wurde war, dass ich eine Geheimhaltungsvereinbarung unterschrieb. Eine, die ich gerade breche um euch vor dem Albtraum aus dem Abgrund zu warnen.

Wir wissen mehr darüber, was im Weltall existiert als wir über unsere eigenen Weltmeere wissen. Und so sollte es auch bleiben.

Diese Kreaturen, das Syncytium, kann nicht getötet werden. Wenn auch nur eine einzige Zelle überlebt, wäre das genug, um sein Leben weiterzuführen. Und ich fürchte, dass es mit der Zerstörung von Talos Wissen über das Leben an der Oberfläche gewonnen hat.

Ich werde das hier gleich veröffentlichen. Gerade bin ich auf dem Weg zum Zentrum der Seuchenkontrolle. Ich kann die Würmer in meiner Brust krabbeln fühlen. Sie sind bereit jeden Moment aus mir heraus zu bersten. Ich schätze, der Anzug konnte mich doch nicht schützen.

Ich hoffe James und Abby befinden sich in Sicherheit, dass sie eine zweite Chance auf ein gutes Leben bekommen.

Aber was mich betrifft. Mir tut es leid. Das alles, was gleich passieren wird.

 

Link zum Original auf Reddit von u/RichardSaxon: https://www.reddit.com/r/nosleep/comments/c0lpc6/the_ocean_is_much_deeper_than_we_thought/

Hinweise

Link zum Originalen Text auf creepypasta-wiki.de

Lizenz: Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported (CC BY-SA 3.0)

Es wurden keine Änderungen am Text vorgenommen.

2 thoughts on “Der Ozean ist wesentlich tiefer als wir dachten

  1. Daisy says:

    Ja, es ist erstaunlich, wie viel von der Tiefe des Ozeans noch unerforscht ist!

    Antworten
  2. Sandy says:

    Ja, das ist wirklich beeindruckend! Es ist erstaunlich, wie wenig wir über die Tiefen unseres Ozeans wissen.

    Antworten

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